Heute ist mein dritter Anlauf, um am Manikarnika Ghat und den Goldenen Tempel anzukommen. Alle guten Dinge sind ja bekanntlich drei. 11 Uhr geht´s nach einer aufregenden Suche meines Reisepasses in meinem Zimmer los… Ich will mir garnicht ausmalen was auf mich zugekommen wäre, wenn …
Nach einer Formel 1 – Slalomfahrt, die mein Tuk Tuk Fahrer wie folgt zitierte: „If you can drive in Varanasi, you can drive everywhere on the world.“, ging es zu Fuß durch die vollgestopften Straßen weiter. Die vielen Festivalbesucher hatten offensichtlich den gleichen Plan wie ich. Vorbei an gefühlt kilometerlangen Menschenschlangen hatte ich mir den Verbrennungsghat und den Tempel schon abgeschrieben. Intuitiv bog ich in eine Gasse ab. Was für ein Kontrast zur Hauptverkehrsstraße. Ruhe, Platz und keine aufdringlichen Händler. Ich lief und lief und kam irgendwann in Flussnähe an. Ein einheimischer junger Mann erklärte mir, wo ich mich gerade befinde.
Ich bin auf einem Gelände angekommen, auf dem mittellose ältere und kranke Menschen ohne Angehörige in einem Hospiz auf ihren Tod warten. Die Geschichten bewegen mich zu Tränen.
Varanasi ist für gläubige Hindus ein begehrter Ort zum Sterben, denn der Tod hier soll jedem den sofortigen Eintritt in den Himmel geben und den Kreislauf der ewigen Wiedergeburten durchbrechen. Die Verbrennungen finden 24 Stunden, 7 Tage die Woche, 364/5 Tage im Jahr statt. Täglich werden 200 bis 300 Tote verbrannt.
Er zeigt mir eine Stelle, von der aus ich den Verbrennungen zusehen kann. Und so stand ich im Nebel der lodernden Flammen. Ich bin sprachlos und lasse die Situation auf mich wirken…
Gerade wird ein lebloser Körper auf einen Scheiterhaufen gelegt. Familienangehörige verabschieden sich, machen letzte Fotos. Ein junger Mann umkreist den Leichnam mehrere Male mit brennendem Stroh und überlässt schließlich den Körper dem Feuer. Mittlerweile sitze ich in respektvoller Entfernung zum Toten direkt unten am Ghat. Ich sehe zu, wie sein Körper nach und nach verbrennt und sich allmählich in den Flammen auflöst. Nach der Verbrennung wird die Asche in den Ganges gestreut. Friedhöfe gibt es hier nicht.
Leben und Tod liegen hier ganz nah beieinander. Wenige hundert Meter von den Verbrennungsstätten entfernt, waschen sich Pilger im Fluss von ihren Sünden rein, andere putzen sich die Zähne, trinken das Wasser oder füllen sich dieses in Kanister ab. Wieder andere sitzen auf den Treppen und meditieren oder machen Yoga. Mittendrin Kühe, Hunde, Vögel, Bootstouren und jede Menge geschäftige Händler. Auch während der Verbrennung bietet mir ein Händler einen Chai-Tee an. Ein anderer möchte mir Holz für Familien verkaufen, die sich das Holz für eine Verbrennung nicht leisten können. Für eine Verbrennung werden ca. x kg Holz benötigt.
Das ist schon ein sehr einschneidendes Erlebnis, welches -auch beim Schreiben- Gänsehaut verursacht.
Sehr ergriffen von diesen Eindrücken setze ich meinen Weg am Ufer des Ganges fort.
Am D Ghat lädt mich eine Gruppe russischer/amerikanischer Sadhus (mit sehr geilen Dreadlocks!!!), welche sich an ziemlich prominenter Stelle niedergelassen haben, ein, mich zu ihnen zu setzen. Ich verweile ein wenig bei ihnen und wir verständigen uns in Englisch und mit „Händen und Füßen“. Zum Abschied tupft mir der „Obersadhu“ noch ein wenig Asche auf die Stirn und trommelt.
Ich suche mir eine entspannte Stelle am Ghat und genieße – mit einigen Unterbrechungen durch Fotoanfragen - die Atmosphäre. Dann stürze ich mich ins Getümmel in den Basar. Krass, was dort los war. Die Menschen „stapeln“ sich in den engen Gassen. Die Händler sind total offensiv und lassen nicht locker. Gefühlt verkaufen dort alle das Gleiche, aber dafür in allen denkbaren Varianten. Indien hat das, was bei uns in Altenburg fehlt. Viele kleine Läden.
Zurück am Ghat treffe ich noch ein paar richtig coole Sadhus. Von einem lasse ich mir aus der Hand und dem Gesicht lesen. Seine Zusammenfassung erinnert mich auch nochmal an Dinge, denen ich in meinem Alltag viel zu wenig Beachtung schenke. Er rät mir, jeden Tag zu meditieren und mir die Frage zu stellen, wer ich (wirklich) bin. Zum Abschluss schenkt er mir noch einen schönen Ring, der „black xxx“ (ich weiß leider nicht mehr die Bezeichnung) von mir fernhalten soll. Das sind sog. Energieräuber.
Der andere Sadhu, der am ganzen Körper mit Asche eingeschmiert ist und äußerst sympathisch aussieht, fordert mich zu einem Fotoshooting auf. Was für ein Spaß! Auch für Passanten. Er fährt zu Höchstleistungen auf und legt noch ein paar krasse Yogaposen hin. An dieser Stelle bin ich dann leider raus.
Ein unglaublicher Tag geht heute zu Ende. Die Erlebnisse und Eindrücke, die mir hier Tag für Tag begegnen lassen mich oft schmunzeln, oft staunen und manchmal auch weinen. Ich bin sehr dankbar für das alles, was ich hier erleben darf. Incredible India!
PS: Bilder folgen noch, das W-Lan ist hier nicht so gut.